Betonzusatzmittel in der Praxis

Sep 19, 2019

Ohne Frage ist das Zusammenspiel der verschiedenen Betonausgangsstoffe im Laufe der Jahrzehnte komplexer geworden. Aus dem Drei-Stoff-System Beton (Zement, Gesteinskörnung, Wasser) ist ein Viel-Stoff-System geworden, bei dem die einzelnen Komponenten Zement, Betonzusatzstoff und Betonzusatzmittel aufeinander abgestimmt werden müssen. Hier bedarf es erfahrener Betontechnologen, die die Anforderungen aus dem Bauverfahren, die Einbaubedingungen und die geforderten Betoneigenschaften berücksichtigen. Der Beitrag zeigt dafür einige Beispiele aus der Praxis.

 

Entwicklung
Betonzusatzmittel sind aus der modernen Betontechnologie nicht mehr wegzudenken. Ohne sie hätte sich die Betontechnologie völlig anders entwickelt. Durch den Entwurf neuer Betonsorten, wie z. B. selbstverdichtender oder ultrahochfester Betone, haben sie der Betonbauweise neue Einsatzbereiche eröffnet und die Bauweise in vielen Bereichen wirtschaftlicher gemacht. Blickt man zurück, regelte die erste DAfStb-Richtlinie für Fließbeton 1986 den Einsatz von Fließmitteln auf der Baustelle. Mit der Entwicklung der Fließmittel auf PCE-Basis ist diese Regelung inzwischen überholt. Verarbeitungszeiten von drei bis vier Stunden können heute ohne Weiteres eingestellt werden. Seinerzeit sprach man von sogenannten „Superverflüssigern“, die das Fließvermögen des Frischbetons verbessern ohne das Zusammenhaltevermögen wesentlich zu beeinträchtigen. Unter Fließbeton wurde dabei ein Frischbeton mit gutem Fließvermögen und mit ausreichendem Zusammenhaltevermögen verstanden.

Transportbetonwerk

Betonverflüssiger, Fließmittel, Luftporenbildner, Stabilisierer, Verzögerer, Erstarrungs- und Erhärtungsbeschleuniger, Dichtungsmittel und Einpresshilfen sind die wesentlichen Wirkungsgruppen, die heute in der Praxis zum Einsatz kommen. Verflüssigende Zusatzmittel (Betonverflüssiger und Fließmittel) machen dabei mengenmäßig mit etwa 80 % den größten Anteil aus. Dies verdeutlicht die Grafik auf Seite 9, die die Absatzentwicklung von verflüssigenden Betonzusatzmitteln in Deutschland sowie die Entwicklung des Anteils der PCE-basierten Fließmittel darstellt. Die Entwicklung von Betonzusatzmitteln ist dabei eng verknüpft mit der stetigen Weiterentwicklung der Betontechnik. Für kilometerhohe Türme in heißen Wüstenstaaten sind die Anforderungen andere als für Offshore-Plattformen aus Beton in den Polarmeeren. Aber auch die Einführung und Umsetzung der Betonnorm (EN 206-1 in Verbindung mit DIN 1045- 2) mit der Erweiterung der Konsistenzklassen bis zu Ausbreitmaß F6 haben zu einer Weiterentwicklung der Zusatzmittel geführt. Der Trend zu leicht verarbeitbaren, weicheren Betonen ist weltweit zu beobachten. Nachfolgend seien beispielhaft nur einige Vorteile beim Einsatz von Zusatzmitteln genannt:

  • Mit Fließmitteln hergestellte, leicht verarbeitbare Betone reduzieren die erforderliche Verdichtungsarbeit und damit die Lärmbelästigung auf lnnenstadtbaustellen.
  • Stabilisierer ermöglichen den Einbau von Unterwasserbeton ohne Entmischen. So können dichte Baugrubensohlen umweltschonend ohne das Abpumpen von Grundwasser hergestellt werden.
  • Luftporenbildner ermöglichen Betone, die extremen Frost-Tausalz-Beanspruchungen widerstehen.

Neue Fließmittel-Systeme, die  die an sich gegenläufigen Anforderungen (niedriger w/z-Wert, möglichst gute Konsistenzhaltung über 90 min und sehr gute Frühfestigkeitsentwicklung, die ein Ausschalen nach 24 h ermöglicht) gleichzeitig erfüllen, stehen heute zur Verfügung. Damit wird die Dosierung von Fließmittel auf der Baustelle überflüssig, die Zahl der Fehler reduziert und kostbare Zeit gewonnen. Oft werden Betonzusatzmittel aber auch für Probleme im Betonbau verantwortlich gemacht: meist voreilig. Sicher ist das Zusammenspiel der verschiedenen Betonausgangsstoffe im Laufe der Jahrzehnte komplexer geworden. Aus dem Drei-Stoff-System Beton (Zement, Gesteinskörnung, Wasser) ist ein Viel-Stoff-System geworden, bei dem die einzelnen Komponenten Zement, Betonzusatzstoff und Betonzusatzmittel aufeinander abgestimmt werden müssen. Im Regelfall wird der Frischbeton heute lediglich anhand seiner Konsistenz (Ausbreit- oder Verdichtungsmaß) und den Angaben auf dem Lieferschein beurteilt. Damit kann dessen rheologisches Verhalten nicht hinreichend beschrieben und bewertet werden. Weitere relevante Leistungsmerkmale wie „Klebrigkeit“, Pumpbarkeit und insbesondere die Mischungsstabilität können mit dieser Prüfung nicht erfasst werden. Daher bedarf es hierbei erfahrener Betontechnologen, die die Anforderungen aus dem Bauverfahren, die Einbaubedingungen und die geforderten Betoneigenschaften aufeinander abstimmen.

“Oft werden Betonzusatzmittel aber auch für Probleme im Betonbau verantwortlich gemacht: meist voreilig.”

Eugen Kleen, Leiter F&E Mineralische Baustoffe und Betonzusatzmittel bei MC

Mischungsstabilitäten
An Schleusenkammerwänden (beim Bau der Schleuse Wusterwitz) sind im Bauwerk Entmischungen aufgetreten und haben die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu Ad-hoc-Maßnahmen unter anderem zu Empfehlungen bezüglich der Verwendung und des Umgangs mit verflüssigend wirkenden Zusatzmitteln auf PCE-Basis veranlasst. Diese Ad-hoc-Maßnahmen wurden im Mai 2015 als ergänzende Regelungen zu den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen - Wasserbau für Wasserbauwerke aus Beton und Stahlbeton (ZTV-W LB 215)“ eingeführt. Im BAW-Brief 01/2015 „Probleme mit der Mischungsstabilität von Beton“ und der A1-Ergänzung aus 2018 wird festgestellt, dass die eingebrachte Rüttelenergie ganz wesentlichen Einfluss auf die Mischungsstabilität hat. Der Widerstand des Betons wird von vielen Faktoren wie beispielsweise Konsistenz, Wahl einer angemessenen Sieblinie oder eines ausreichenden Leimgehalts beeinflusst. Dennoch wurde seinerzeit davon ausgegangen, „dass die Verwendung verflüssigend wirkender Zusatzmittel auf PCE-Basis einen besonderen Einfluss auf die Mischungsstabilität haben kann“. Generell können stabilisierende Zusatzmittel die Sedimentationsstabilität positiv beeinflussen. Dies setzt die Sicherstellung einer optimalen Dosierung des Stabilisierers voraus, da eine Schwankung in der Zugabemenge (zu hohe oder zu niedrige Dosierung) zu einer Verringerung von Stabilität führen kann. Auch zu geringe Mischzeiten und/oder eine zu geringe Mischintensität können zu einer inhomogenen Betonzusammensetzung führen und die Mischungsstabilität beeinträchtigen. Dies kann auftreten, wenn Zusatzmittel (z. B. Fließmittel) bei der Herstellung im Transportbetonwerk nicht ausreichend aufgeschlossen und daher überdosiert wurden.

 

Aber was wird eigentlich unter Mischungsstabilität und Robustheit eines Frischbetons verstanden? Ein stabiler Frischbeton darf nicht unzulässig entmischen, d. h., der Frischbeton muss gegenüber sachgerechten Rüttel-, Pump- und Verarbeitungseinwirkungen soweit homogen bleiben, dass die wesentlichen Festbetoneigenschaften erreicht werden. Unter Sedimentationsstabilität wird dabei (als Teil der Mischungsstabilität) ein Absinken der groben Gesteinskörnung verstanden. Der Frischbeton muss soweit stabil bleiben, dass es nicht oder nur begrenzt zu einer unerwünschten Trennung zwischen der Leim- oder Mörtelphase und der groben Gesteinskörnung kommt.

 

Das Bestreben einzelner Bestandteile des Frischbetons, sich von den anderen zu separieren, wird als Entmischungsneigung bezeichnet. Diese ist abhängig von der Einwirkung auf den Beton und dem Widerstand, den der Beton dieser Einwirkung entgegensetzen kann. Die Wasserabsonderung (Bluten), die dazu führt, dass sich Porenlösung zeitverzögert an der Oberfläche des Frischbetons ansammelt, ist meist eine unerwünschte Form der Entmischung. Unter Robustheit versteht man hingegen die Eigenschaft eines Betons auf ungeplante Einflüsse/Einwirkungen, wie z. B. Schwankungen des Wassergehalts, chargenbedingte Schwankungen der Ausgangsstoffe, wechselnde Umgebungsbedingungen, Verzögerungen im Bauablauf oder unplanmäßig langes Rütteln, „gutmütig“ (vorhersehbar) zu reagieren. Zusammenfassend kann ein stabiler Frischbeton wie folgt beschrieben werden:

  • geringes Wasserabsetzen, Bluten,
  • geringes Absetzen von Zementleim/Mörtel,
  • geringe Sedimentation grober Gesteinskörnung,
  • bei LP-Beton geringe Schaumbildung.

Voraussetzungen für die Anforderungen ist zunächst ein Betonierplan zu erarbeiten, der die Beanspruchungen aus Lagendicke, Einfüllöffnungen, freier Fallhöhe, Länge der horizontalen Bewegung (Treiben), Rüttelenergie (Art und Dauer), Eintauchstellen der Rüttelgeräte u. Ä. festlegt.
Danach kann ein darauf abgestimmter robuster Beton z. B. durch Auswahl einer geeigneten Sieblinie und eines ausreichenden Bindemittel- bzw. Leimgehalts anhand erweiterter Eignungsprüfungen erfolgen. Elemente einer empfohlenen erweiterten Eignungsprüfung können sein:

  • Bestimmung des LP-Gehalts bei simulierter Transportzeit,
  • Prüfung nach dem Anmischen und nach 10 min Prüfung mit verlängerter Mischzeit,
  • Prüfung mit erhöhter Verdichtungszeit,
  • Prüfung bei erhöhter Frischbetontemperatur.

Prüfverfahren

Die zuvor erläuterten Eigenschaften Mischungsstabilität oder Entmischungsneigung können bislang nicht anhand eines allgemein anerkannten Prüfverfahrens definiert werden. Mit der Zielstellung, eine praxisnahe Prüfung dieser relevanten Frischbetoneigenschaften zu ermöglichen, wird derzeit u. a. am Institut für Baustoffe Hannover (ifB) daran gearbeitet, einen Sedimentationsversuch zur Bestimmung der Mischungsstabilität von Beton unter Rütteleinwirkung zu entwickeln.
Im Fokus steht dabei die Entwicklung eines mobilen und baustellentauglichen „Sedimentationsgeräts“, das eine variable Regelung der Verdichtungsparameter ermöglicht. Inzwischen existieren erste Prototypen des sogenannten „Sedimentationstopfs“.In Zusammenhang mit der Erarbeitung des Prüfverfahrens und Erprobung des Prüfgeräts werden derzeit eine Reihe weiterer grundsätzlicher Fragestellungen zu den Anforderungen und zur Prüfung von Frischbeton, u. a. in einem vom DAfStb eingerichteten Arbeitskreis „Frischbeton“, diskutiert. Aktueller Diskussionspunkt ist beispielsweise auch die Beantwortung der Frage: Was ist eine vollständige Verdichtung?

  • Die vollständige Verdichtung des Frischbetons ist eine der Grundvoraussetzungen für das zielsichere Erreichen der angestrebten Festbetoneigenschaften und damit einer der wichtigsten Vorgänge beim Einbringen des Betons.
  • Mit steigender Konsistenzklasse nimmt der zur vollständigen Entlüftung benötigte Verdichtungsaufwand ab. Die gewählte Verdichtungsmethode muss ebenfalls der Konsistenz des Frischbetons angepasst werden. Diese und weitere offene Fragen hinsichtlich der Verdichtungsparameter, wie Verdichtungsdauer und Verdichtungsintensität (Frequenz/Amplitude) des Verdichtungsgeräts im Hinblick auf die Übertragbarkeit in die Praxis sind noch zu klären.

Diese und weitere offene Fragen hinsichtlich der Verdichtungsparameter, wie Verdichtungsdauer und Verdichtungsintensität (Frequenz/Amplitude) des Verdichtungsgeräts im Hinblick auf die Übertragbarkeit in die Praxis sind noch zu klären.

Ausbreitmaß-Versuch mit einem leicht selbstverdichtbaren Beton: Gegenüberstellung eines nicht stabilen (Bild links) und stabilen Betons.
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